Der Handel stellt sich zunehmend hybrid auf. Wie aus einer Umfrage des Bitkom-Verbands unter 503 Handelsunternehmen in Deutschland hervorgeht, bieten 85 Prozent der befragten Händler ihre Produkte und Dienstleistungen sowohl online als auch stationär an. Ausschließlich stationär sind demnach nur noch 8 Prozent der deutschen Händler aktiv, 2021 waren es noch 16 und 2019 sogar noch 25 Prozent.
Der Anteil der Handelsunternehmen, die beide Vertriebskanäle nutzen und mindestens die Hälfte oder mehr ihres Gesamtumsatzes im Online-Geschäft machen, steigt in diesem Jahr auf 30 Prozent. 2018 waren es nur 8 Prozent, 2020 lag der Anteil bei 19 Prozent. Ausschließlich online verkaufen 2023 laut Bitkom nur 5 Prozent der Händler, 2021 und 2019 waren es jeweils 6 Prozent.
Websites und Mails im E-Commerce
Wer online verkauft, tut dies laut Bitkom-Umfrage in der Regel über einen unternehmenseigenen Shop auf der Website: 93 Prozent der Handelsunternehmen mit Online-Handel nutzen diesen Verkaufskanal. Eine Bestellung per E-Mail bieten 87 Prozent an, auf Online-Marktplätzen bzw. Verkaufsplattformen verkaufen 69 Prozent ihre Produkte und Dienstleistungen. Bei 23 Prozent lässt sich über Social-Media-Plattformen bestellen und bei 13 Prozent über eine eigene App. Online-Handel bedeutet aber nicht, dass das Verkaufen rein digital erfolgt: Immer noch 63 Prozent der Handelsunternehmen mit Online-Handel bieten auch eine Bestellung per Fax und 57 Prozent eine Bestellung per Telefon oder Post an.
Der stationäre Handel hat Zukunft
29 Prozent der hybrid aufgestellten Händler können sich vorstellen, in Zukunft nur noch online zu verkaufen. Abgesänge auf den stationären Handel dürften aber verfrüht sein. Nur 12 Prozent der Handelsunternehmen sagen, der stationäre Handel habe keine Zukunft. 71 Prozent sind aber der Meinung, der stationäre Handel muss sich neu erfinden. 68 Prozent sagen, der stationäre Handel kann mit den günstigen Preisen im Internet nicht mithalten und 54 Prozent meinen, virtuelle Einkaufserlebnisse mit AR und VR werden dem stationären Handel immer mehr Konkurrenz machen.
Die große Mehrheit der Handelsunternehmen setzt außerdem auf digitale Technologien im Geschäft. Bei 88 Prozent der stationären Händler lässt sich per Smartphone bzw. Smartwatch bargeldlos bezahlen, 6 Prozent planen oder diskutieren dies. WLAN stellen 79 Prozent ihrer Kundschaft zur Verfügung, weitere 7 Prozent planen oder diskutieren es. Auch Click & Collect ist mittlerweile weit verbreitet: 73 Prozent der Einzelhändler bieten diesen Service an, jeder zehnte stationäre Händler diskutiert oder plant es.
Die Hälfte (52 %) nutzt an der Kasse außerdem Tablet- oder Smartphone-gestützte Systeme, bei 23 Prozent wird der Einsatz diskutiert oder geplant. Tablets und interaktive Bildschirme, zum Beispiel zum Abruf von Produktinformationen, setzt jeder dritte Händler im Laden ein (33 %), 34 Prozent planen oder diskutieren es. Digitale Preisschilder nutzt ebenfalls jeder dritte stationäre Einzelhändler (32 %), 37 Prozent diskutieren oder planen es. 10 Prozent bieten bereits Seamless-Checkout-Lösungen an, bei weiteren 19 Prozent ist es in Planung oder Diskussion.
KI ist künftig wettbewerbsentscheidend
Künstliche Intelligenz wird derzeit quer durch alle Branchen diskutiert – und auch im Handel geht eine Mehrheit von 56 Prozent davon aus, dass der Einsatz von KI entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit sein wird. Dennoch setzen erst 4 Prozent der deutschen Handelsunternehmen KI-Technologien ein. 15 Prozent planen und diskutieren es, bei der überwiegenden Mehrheit von 77 Prozent ist der Einsatz von KI bislang kein Thema. 73 Prozent sagen, dass sie beim Einsatz von neuen KI-Technologien wie zum Beispiel ChatGPT in der Regel erst einmal warten, welche Erfahrungen andere machen. Gleichzeitig geben aber auch 61 Prozent der Händler an, dass ihnen die Mitarbeitenden im Bereich KI fehlen, um die Einbindung voranzutreiben.
Mit der neuen Technologie sind aber auch Sorgen verbunden: 76 Prozent der Handelsunternehmen befürchten, durch den Einsatz von KI im Kundenservice werde eine Entfremdung von der Kundschaft vorangetrieben. 72 Prozent sind besorgt, dass massenhaft KI-generierte Fake-Bewertungen ihrem Unternehmen schaden könnten.
Zwar sagen 26 Prozent der befragten Händler, KI-Technologien im Handel seien ein Trend, der bald vorüber gehen werde, gleichzeitig sieht der Handel aber auch Einsatzmöglichkeiten für KI in vielen Bereichen. Sehr großes oder eher großes Potenzial sehen 85 Prozent für den Einsatz im Bestandsmanagement, 82 Prozent bei der Textgenerierung und 76 Prozent beim Einsatz für personalisierte Empfehlungen. Dem Einsatz von KI im Kundenservice und der Kundenkommunikation bescheinigen 69 Prozent sehr großes oder eher großes Potenzial, in der Preisoptimierung und in der visuellen Produktsuche jeweils 48 Prozent.
So könnte der Handel im Jahr 2030 aussehen
Nach Vorstellung der befragten Händler spielt im Handel von morgen aber nicht nur KI eine Rolle: 77 Prozent der Händler glauben, dass im Jahr 2030 sehr weit oder eher weit verbreitet sein wird, dass in stationären Geschäften keine Kassensysteme mehr genutzt werden, sondern das Bezahlen beim Verlassen des Geschäfts automatisch abläuft. 69 Prozent glauben, dass die Lieferung von Produkten direkt an die Haustür durch autonome Fahrzeuge sehr weit oder eher verbreitet sein wird. 54 Prozent meinen, 2030 würden virtuelle Shoppingwelten wie das Metaversum sehr weit oder eher verbreitet sein. Ebenso glauben 54 Prozent, in Zukunft wird der Handel durch den Einsatz digitaler Lösungen rund um die Uhr geöffnet sein, und 53 Prozent erwarten eine weite Verbreitung von KI, die im Haushalt aufgebrauchte Produkte erkennt und eigenständig die Nachbestellung übernimmt.
42 Prozent der Händler meinen, dass Produkte im Jahr 2030 mit einem NFT, also einem unverfälschlichen digitalen Abbild versehen sein werden, über das sich Informationen zu Produktionsbedingungen und Echtheit abrufen lassen. 19 Prozent sind der Meinung, dass holografische Produktpräsentationen sehr weit oder eher weit verbreitet sein werden. Diese würden es ermöglichen, Produkte in 3D und lebensecht zu erleben, ohne physisch vor Ort zu sein. Dass KI anlassbezogene Einkaufslisten auf Zuruf erstellt, zum Beispiel ein Outfit für eine Hochzeit oder Zutaten für ein Drei-Gänge-Menü, und dabei auch aktuelle Preise und Verfügbarkeiten berücksichtigt, sehen 17 Prozent als künftig sehr weit oder eher weit verbreitetes Szenario für 2030.
Viele Händler sehen sich als digitale Nachzügler
Bis diese Zukunftsszenarien tatsächlich Realität werden, scheint es aber noch ein weiter Weg: Zwei Drittel der vom Bitkom befragten Handelsunternehmen (68 %) sehen sich momentan bei der Digitalisierung eher als Nachzügler, 3 Prozent sagen gar, sie haben den Anschluss verpasst. 23 Prozent sehen sich eher als Vorreiter, 4 Prozent an der Spitze.