Home Business Markttrends Energiekrise bringt Nachfrageschub für Smart-Home-Lösungen

Energiekrise bringt Nachfrageschub für Smart-Home-Lösungen

Der wachsende Markt für Smart-Home-Produkte erfährt durch die Energiekrise neue Aufmerksamkeit. Einer aktuellen Studie zufolge erwarten die Strategieberatung Oliver Wyman und der Smart Home-Experte tink einen deutlichen Nachfrageschub. Denn in Folge steigender Energiepreise suchen Konsumenten in Deutschland zunehmend nach Wegen, um ihre Strom- und Heizkosten zu senken. Smarte Thermostate, Steckdosen und Beleuchtungslösungen versprechen eine verbesserte Effizienz – und könnten Erstkäufer auch für weitere Vernetzungsthemen im Haushalt begeistern.

Der Branchenumsatz wächst und lag 2021 den Angaben zufolge bei 5,5 Milliarden Euro. Gleichzeitig scheint das Interesse an Smart Home vielschichtig zu sein: Zwar besitzt mittlerweile fast jeder Zweite in Deutschland ein Smart-Home-Produkt. Wie die repräsentative Konsumentenumfrage von Oliver Wyman und tink ergab, war für rund ein Drittel der Käufer die smarte Funktionalität jedoch nicht das Kaufkriterium. „Viele Verbraucher scheinen sich der Vorteile von Smart-Home-Produkten noch nicht vollends bewusst zu sein und kaufen Geräte daher aus ganz unterschiedlichen Gründen“, konstatiert Martin Schulte, Partner und Konsumgüterexperte bei Oliver Wyman. „Aus Sicht der Hersteller ist das teilweise ernüchternd.“

Smarte Licht- und Heizungssteuerung

Als denkbare Einstiegsprodukte für potenzielle Käufer stoßen laut Studie vor allem Beleuchtungslösungen auf Interesse. So interessieren sich 55 Prozent der bisherigen Nichtkäufer für Lichtsteuerung, 45 Prozent nennen eine vernetzte Heizungssteuerung als ihr Hauptinteresse für einen möglichen Kauf. Mit Abstand folgen Jalousiensteuerung (39 %), Überwachungstechnik (38 %) und vernetzte Steckdosen (33 %). „Wenn es gelingt, mit eher einfachen Einstiegsprodukten für ein positives Nutzererlebnis zu sorgen, wächst das Interesse an komplexeren Themen“, sagt Marius Lissautzki, Mitgründer und CEO der Smart-Home-Verkaufsplattform tink. „Beim Einsparen von Strom und dem effizienteren Gebrauch von Wärmeenergie können Smart-Home-Produkte wie intelligente Thermostate ihren Nutzen unter Beweis stellen.“

Beratung überzeugt Kaufinteressierte

Die Untersuchung zeigt auch die Gründe für einen Nichtkauf. Als Haupthindernisse werden ein zu hoch empfundener Preis (40 %) genannt, sowie ein nicht einleuchtender Nutzen (21 %) und Datenschutzbedenken (19 %). Auch die vermeintlich komplexe Installation und die mangelnde Kaufberatung werden als Hürden empfunden. „Es ist wichtig, ein besseres Verständnis für den realen Nutzen von Smart Home zu schaffen. Dies gelingt vor allem durch eine bessere Kaufberatung und das Erleben von echten Anwendungsfällen im Alltag“, erläutert Marius Lissautzki. Bisher halte vor allem Unwissenheit hinsichtlich der Vorteile und Installationsoptionen potenzielle Interessenten vom Kauf ab. Das liege auch an den dominierenden Vertriebsstrukturen, die auf eine eher geringe Beratungsintensität schließen lassen. Den Angaben zufolge werden Smart-Home-Produkte zu mehr als 70 Prozent online gekauft. Amazon dominiert laut Studie mit über 40 Prozent Marktanteil, wobei sich gerade Ältere hier bevorzugt bedienen, um zumeist einfachere Geräte zu erwerben. Meist bieten stationäre Händler (22 Prozent) oder Spezialisten (9 Prozent) eine deutlich umfangreichere Beratung. Ihnen folgt der Direktvertrieb der Hersteller mit sechs Prozent Marktanteil.

„Viele Kunden, die einmal erlebt haben, wie sich die gesamte Haustechnik mit einem Fingertipp oder Sprachbefehl steuern lässt, bauen sich sukzessive ein smartes Ökosystem auf“, sagt Lissautzki. In der Studie werden die vereinfachte Steuerung von Geräten und die Fernbedienung von unterwegs als wichtigste Kaufkriterien genannt. „Fast immer geht es den Anwendern bisher um ein bequemeres Wohnen und die Freude an der Technik. Konnektivität ist daher ein wesentlicher Wunsch der Anwender. Entsprechend entwickeln führende Hersteller gemeinsam einheitliche Standards wie Matter“, ergänzt Lissautzki.

Der Wunsch nach bequemerem Wohnen erweist sich in der Studie als größter Kaufanreiz, ein wesentlicher Anteil der Käufe erfolgt aus Neugierde und genereller Innovationslust.  „Technikaffine, spontane Menschen waren bisher die Kernkäufergruppe“, so Lissautzki. „Aber das Bild wandelt sich. Vor fünf Jahren war Smart Home ein Thema für Early Adopter und Technik-Fans. Die Studie zeigt, dass die Interessengruppen deutlich breiter geworden sind. Kurz gesagt: Smart Home erobert über klare Use Cases den Massenmarkt.“

Potenzial bei kleinen Wohnungen

Laut Untersuchung geht die hauptsächliche Nachfrage vor allem von jungen, kinderreichen Familien mit viel Wohnraum aus. Im Umkehrschluss bedeutet dies: Ältere Verbraucher sowie Singles und Pärchen, die in einer eher kleinen Wohnung leben, bieten aus Anbietersicht noch Potenzial. „Auch unsere Gespräche mit Herstellern zeigen: Hier herrscht tatsächlich eine Lücke“, sagt Martin Schulte. Die konkreten Lebensumstände sind laut Studie sogar wichtiger als die Frage des verfügbaren Haushaltseinkommens. Für die Kundenansprache ergeben sich daher klare Differenzierungsoptionen: „Wer viel Wohnraum hat, zeigt ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis. Wer auf weniger Quadratmetern wohnt, fokussiert zunächst mehr auf Themen wie Beleuchtung und Steckdosen“, sagt Schulte. „Die Argumente Kosteneffizienz im Betrieb und Nachhaltigkeit stehen hier im Vordergrund.“ Mit Blick auf die Energiekrise und Inflation habe sich die Nachfrage nach energiesparenden Lösungen im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Ein prägnantes Beispiel: Schon jetzt im Sommer zeichnet sich eine stark zunehmende Nachfrage für smarte Thermostate ab. Dieser Anstieg ist normalerweise erst im Winter zu beobachten. „Mit smarten Geräten lassen sich Heizkosten um bis zu 30 Prozent senken und wir erwarten eine zunehmende Nachfrage nach ganzheitlichen Lösungen aus Hardware, Software und Services, um Energiesparpotenziale auszuschöpfen“, so Lissautzki.

Wachsender Markt

Insgesamt ist der Markt für Smart-Home-Produkte in Deutschland zwischen 2017 und 2021 von knapp 2,4 Milliarden Euro auf über 5,5 Milliarden Euro gewachsen. Das entspricht einem durchschnittlichen jährlichen Plus von rund 22 Prozent. Leicht überdurchschnittlich wuchs die Produktkategorie Energie mit 24 Prozent auf zuletzt 644 Millionen Euro. Während 27 Prozent der deutschen Haushalte über smarte Haustechnik verfügen, haben erst elf Prozent ein Gerät zum intelligenten Umgang mit Energie im Einsatz. „Diese Durchdringung wird mit der Preisexplosion für Strom und Gas rasch ansteigen“, meint Schulte.
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