Um diese Abhängigkeit zu reduzieren, haben viele Hersteller parallel versucht, sich eigene Webshops aufzubauen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Wer direkt an Endverbraucher verkauft, generiert eine höhere Marge. Marge, die in traditionellen Vertriebskanälen in jeden vorgelagerten Zwischenhändler investiert werden muss, um die Produkte an den Endverbraucher zu bringen. Die landläufige Schlussfolgerung, dass der Verkauf über einen eigenen Online-Shop zu höheren Margen führt, ist jedoch in den wenigsten Fällen aufgegangen.
Wenn Hersteller in der Vergangenheit eigene Online-Shops aufgebaut haben, dann waren das häufig Großprojekte – ähnlich der Einführung eines neuen ERP-Systems. Für den Aufbau des Webshops wurden hohe Summen in externe Dienstleister investiert. Diese Projekte liefen meist über mehrere Jahre und waren eine lohnende Einnahmequelle für die beteiligten Dienstleister. Anfangs ging es zunächst um den Aufbau und im nächsten Schritt dann um den Betrieb des Webshops durch die Dienstleister. Die meisten herstellereigenen Online-Shops konnten die hohen Erwartungen jedoch nie erfüllen. Ein Grund ist die Herausforderung mit der Preisstellung der Produkte. In den meisten Fällen einigt man sich intern darauf, dass der hauseigene Webshop zu den offiziellen UVPs verkauft. Dies führt jedoch dazu, dass die Webshop-Preise stets über den Preisen anderer Online-Anbieter liegen. Neben dem Preis sind auch andere Aspekte wichtig, etwa die Performance in Bezug auf User-Experience, Liefergeschwindigkeit oder Retouren-Abwicklung.
Unterm Strich heißt das für den herstellereigenen Online-Shop: Hohe Aufbau-Investition, zusätzliche Investitionen für den Betrieb, zu wenig organischer Traffic auf der Webshop-Seite, in der Folge hohe Ausgaben für Marketing, hohe Logistik-Kosten, hoher Aufwand für die Abwicklung von Retouren und insgesamt ein fehlendes internes, digitales Know-how.
Das Dilemma mit der Abhängigkeit
Der Umsatz im Vertriebskanal E-Commerce ist über die letzten Jahre stetig gewachsen. Im gleichen Zeitraum hat sich eine Vielzahl von Dienstleistern entwickelt, die Hersteller hier unterstützen. Dieser Dienstleister-Kosmos besteht aus Beratern, Agenturen und Brokern und ist mittlerweile ein stark umkämpfter Markt. Viele Hersteller hätten ihre E-Commerce-Aktivitäten ohne externe Hilfe gar nicht umsetzen können. Das hat jedoch dazu geführt, dass sie in einem sehr starken Abhängigkeitsverhältnis zu ihren Dienstleistern stehen.Das Abhängigkeitsverhältnis der Hersteller vom Expertentum und der operativen Unterstützung der Dienstleister lässt sich jedoch nur schwer wieder auflösen. Die Abhängigkeit scheint sogar mit jedem Jahr zuzunehmen. Und keiner weiß genau, wie man daraus wieder herausauskommt. Schließlich gilt doch vielerorts: „Never change a winning team!”. Hersteller müssen also zunächst verstehen, warum die Unabhängigkeit von Langzeit-Dienstleistern so wichtig für ihr Unternehmen und dessen Zukunftsfähigkeit ist.
Dienstleister haben die Möglichkeit, ihre spezifischen Fachkenntnisse konsequent auszubauen. Sie müssen es sogar, um bei technischen Innovationen stets up-to-date zu bleiben und um sicherzustellen, dass sie sich im Dienstleister-Wettbewerb behaupten können. Der Know-how-Abstand zwischen Hersteller und Dienstleister wird folglich immer größer. Dienstleister werden für Hersteller unverzichtbar und erlangen eine sehr verhandlungsstarke Position. Diese Situation kann für Hersteller sehr unangenehm und teuer werden. Eine Spirale, die für Hersteller zu höheren Kosten führt und sie gleichzeitig daran hindert ihre eigenen Kompetenzen auszubauen.
Kundenwissen als zentraler Erfolgsfaktor
In Zukunft werden jene Unternehmen erfolgreich sein, die ihre Kunden am besten verstehen. Je besser sie das Verhalten, die Präferenzen, die Probleme und den Kauf-Entscheidungsprozess ihrer Kunden verstehen, desto besser können sie zukünftige Produkte und den Verkaufsprozess an ihre Kunden anpassen. Kundenwissen kann aus Daten generiert werden. Und die meisten Daten können Unternehmen aus den digitalen Kommunikations- und Vertriebskanälen ziehen.Wenn Hersteller Teile ihres E-Commerce-Geschäfts ausgelagert haben, dann fehlt ihnen der Zugang zu einem Großteil an auswertbaren Daten. Wenn Dienstleister in der Lage sind, wertvolles Kundenwissen zu sammeln und auszuwerten, werden sie jedoch versuchen, es den Herstellern zu verkaufen. Der Preis für Daten (also Kundenwissen) wird in Zukunft steigen. Hersteller müssen sich entscheiden, ob sie Daten und Kundenwissen zu ihrer Kernkompetenz machen oder ob sie dieses Feld ihrem Wettbewerb überlassen. Sie müssen sich ebenso entscheiden, ob sie dies an ihre Dienstleister auslagern oder das Heft selbst in die Hand nehmen. Nur wenn sich Hersteller diese Datenkompetenz ins eigene Haus holen, können sie sicherstellen, dass daraus generiertes Wissen für sie zugänglich und damit auch nutzbar ist.
Zielgerichtet digitale Kompetenzen aufbauen
E-Commerce ist für die meisten Unternehmen ein Wachstumsfeld mit noch viel Potenzial. Jede Organisation befindet sich in ihrem eigenen Entwicklungsstadium. Es werden nicht nur junge „Digitalos“ auf Einstiegslevel benötigt, sondern auch Senior-Manager und Teamleiter. Viele Unternehmen versuchen mit der Stelle Chief Digital Officer auch auf Geschäftsführungsebene dem Digitalisierungsprozess eine Stimme zu geben. Unternehmen brauchen Mitarbeiter, die ihnen helfen, die Customer-Journey zu verstehen. Und sie brauchen Mitarbeiter, die sie dabei unterstützen, das Geschäft kontinuierlich zu optimieren und es auf die Bedürfnisse der Endverbraucher auszurichten. Insbesondere in den Bereichen Mass-Data-Analytics, Consumer-Insights und Lead-Management sollten sich Hersteller eigene Kompetenzen aufbauen. Nur so wird die Organisation einen digitalen Reifegrad erhalten, dass sie irgendwann die Aufgaben der externen Dienstleister selbst übernehmen kann.Um dies zielgerichtet umzusetzen, benötigen Unternehmen eine klare Recruiting-Strategie. Sie muss darauf ausgelegt sein, einerseits das benötigte Fachpersonal zu finden und andererseits das Unternehmen entsprechend attraktiv für diese Zielgruppe zu machen. Unternehmen müssen sich darauf einstellen, dass gute Mitarbeiter ihren Preis haben. Insbesondere wenn man sie davon überzeugen muss, dass es auch attraktive Stellen gibt, die nicht unbedingt in den Metropolen sind.
Gerade Unternehmen mit jahrzehntelanger Erfahrung in ihren angestammten Vertriebskanälen, sollten nicht unterschätzen, wie schnell neue Wettbewerber aus dem Nichts auftauchen können. Mit einem starken Fokus auf digitale Vertriebskanäle können neue Anbieter etablierte Märkte auf den Kopf stellen und schnell Marktanteile für sich gewinnen. Hersteller, sollten sich dieser Konkurrenz bewusst sein und den Digitalisierungsprozess innerhalb der eigenen Organisation zielgerichtet und zügig vorantreiben.