Wir haben keine Zeit zu verlieren: Das Klima hat schon begonnen, uns die dramatischen Folgen unseres ignoranten Verhaltens vor Augen zu führen. Das veränderte Erdklima hat angefangen, uns seine Zähne zu zeigen. Das hat die Lage jetzt grundsätzlich verändert. Nichts wird zukünftig die Veränderung von Politik und Wirtschaft sowie die Entwicklung neuer Technologiren mehr beeinflussen als die Klimakrise selbst. Sie bestimmt spätestens ab Beginn der 2020er Jahre das Tempo sowohl bevorstehender großer gesellschaftlich und technologisch notwendiger Veränderungen als auch unser ganzes Denken und unser Konsumverhalten, sollte die Spezies Mensch doch noch die Absicht verfolgen, sich selbst vor dem sicheren Aussterben zu bewahren, um mit Prof. Harald Lesch zu sprechen. Dies überlagert alle anderen Veränderungen und treibt die Entwicklungen unausweichlich vor uns her. Das ist neu in unserer hochtechnisierten Welt, wo Technik bisher doch vermeintlich alles besser, bequemer und schneller erledigen konnte. Der Faktor Klima ist zum beherrschenden Faktor der Transformation unseres Wirtschaftens und Handelns in eine neue digitalisierte und klimaneutrale Welt geworden. In diesem Jahrzehnt, so sagen die Klimaforscher, wird – ja muss – die Welt sich mehr verändern als in den vergangenen hundert Jahren, sollten wir das 1,5- bis 2-Grad-Ziel des Pariser Abkommens einhalten wollen.
Vor über zwei Jahrzehnten bretterte auch ich als Branchenteilnehmer im Telekommunikationssektor mit über 200 Sachen über die Autobahnen; schließlich mussten Termine eingehalten werden. Zeit ist Geld, obwohl ich als Kind und Bauernsohn schon seit meiner Studentenzeit stets ein naturverbundener „innerlicher Grüner“ war. Doch da fast die gesamte Politik- und Medienwelt und vor allem die Geschäftswelt der drohenden Klimakrise in den 1980er, 90er Jahren und in der Millennium-Dekade kaum Bedeutung beimaßen (die Autos wurden immer größer und schneller, verbrauchten angeblich trotzdem immer weniger Sprit, auch die Computer machten alles bequemer und effizienter…), so dass der wirtschaftlich-gesellschaftliche Fokus dem Zeitgeist folgend eher auf die Computerisierung von Wirtschaft und Gesellschaft lag (Motto: Alles wird besser als früher). So geriet das Umweltbewusstsein in meinen „Karrierejahren“ irgendwie immer wieder aus meinem Blickfeld. Bis 2018 und 2019 Fridays for Future (FfF) einen sehr großen Klimastein ins Rollen brachte und fortan nach und nach nahezu alle seriösen Medien mit aller Macht das wichtigste Thema aller Themen zu ihrer 1a-Priorität machten. Niemand kann jetzt noch behaupten, er habe es nicht gewusst. Das ist eine gänzlich andere Situation als noch vor drei Jahren (vor der FfF-Bewegung). Nun hat auch die Fachpresse die Bedeutung des Themas erkannt, denn die Tech-Branche – allen voran die Industrie und die Distribution sowie auch die Finanz- und Versicherungswelt – haben das größte Interesse daran, ihre Unternehmen nachhaltig auszurichten. Was denn sonst. Wer als Unternehmen mit seinen Produkten weiterhin das Kima schädigt, wird verlieren. Wer mit grünen Produkten und nachhaltigen Lösungen aufwarten kann und so einen Beitrag zur Klimaneutralität leistet (auch und gerade für die Zielgruppe Kunden), wird gewinnen – so einfach kann man die bereits begonnene Transformation der Wirtschaft in die gesetzlich verankerte Klimaneutralität auf den Punkt bringen.
KI als Schlüssel zur Erreichung von Klimaneutralität
KI ist ein entscheidender Beschleunigungsfaktor für die Transformation in eine klimaverträglichere Welt geworden. Mit dem Fokus auf größtmögliche Vermeidung von Energie- und Ressourcenverbrauch fängt die Einsparungs- und Effizienzsteigerung schon bei der rechnergesteuerten Bedarfsanalyse an, unterstützt generell bei der Suche nach umweltfreundlichen neuartigen Produkten und Lösungen, steigert die Leistungsfähigkeit der Fabrikation mittels Automatisierung, hilft Gebäude energie-effizient zu steuern, sucht die effektivsten und umweltfreundlichsten Distributionswege und findet maßgeschneiderte Lösungen für jeden umweltbewussten Kunden. KI-ferngesteuerte Landmaschinen optimieren das Pflanzenwachstum und reduzieren durch zielgenaue Unkrautvernichtung den Einsatz giftiger Pestizide; KI optimiert den Energieverbrauch in der gesamten Mobilität und führt in unserer Global gewordenen Welt immer mehre internationale klima- und umweltschonende Standards ein. Kurz: KI ist DER Schlüssel zu einer schnelleren Transformation unseres Wirtschaftens und Handelns in eine umweltschonende und klimaneutrale Welt.
Kein Sektor also kann zur Entwicklung von Klimaneutralität mehr beitragen als die Tech-bzw. Digitalbranche, wie man aktuell am Beispiel der Automobilbranche in ihrer Transformation zur Elektromobilität ganz gut beobachten kann. Die „Elektrifizierung“ unserer Wirtschaftssysteme geht einher mit einer ungeahnten, nahezu grenzenlosen Steigerung der Möglichkeiten zur Digitalisierung aller Branchen und Sektoren. Darin liegt eine Chance, aber auch ein großes Risiko: Die Cyberkriminalität löst offensichtlich immer mehr die physischen Verbrechen ab; dementsprechend sind die (deutsche) Tech- und speziell die ITK-Branchen und die Politik gefordert, zunächst eine deutsch-europäisch und dann auch international verankerte IT- und Netzsicherheit sicherzustellen.
Ein Smart Home spart Energiekosten
Wenn 70 Prozent des CO2-Ausstoßes in oder durch die Wirtschaft entsteht, so ist dies ein wichtiger Hinweis auf die überaus große Bedeutung von effizienzsteigender KI im Rahmen der Digitalisierungsprozesse in Richtung Klimaneutralität, die alle Unternehmen aller Branchen im Zuge der Digitalisierung zu durchschreiten haben. Gerade in den Tech-Branchen – aber auch in der gesamten Wirtschaft – sollte man die Klimakrise als Chance, und nicht als drohendes, Kosten verschlingendes Schreckens-Szenario der Zukunft begreifen – und endlich aufhören, die Kosten der Transformation in die Klimaneutralität zu bejammern, wenn deren Unterlassung zwangsläufig vielfach höhere Kosten verursachen wird: Nur eben weiter vor sich hergeschoben auf unsere nachfolgenden Generationen oder auf eine Zeitverzögerung schon in wenigen Jahren. Wirtschaftsjournalisten und -forscher haben errechnet, dass die weltweite Transformation in die Klimaneutralität bis 2050 lediglich 2 Prozent der Wirtschaftsleitung aller Länder ausmacht – umso erstaunlicher, wenn diese Dinge nicht sofort in Angriff genommen werden, wenn dem gegenüber die Überlebensfähigkeit der Menschheit auf diesem Planeten Erde steht!
Nachhaltigkeit und Klimaneutralität
Die Transformation in eine digitale, moderne und umweltfreundliche Gesellschaft ist zunächst und in erster Linie eine politische Aufgabe: die Behörden müssen aufgrund politischer Beschlüsse schnellstens die Weichen für die Wirtschaft stellen, denn alle Unternehmen brauchen dringend Planungssicherheit für die Transformation in grünes Wirtschaften. Nur dann können sie langfristige Investments planen und einen größeren Teil der Transformation finanziell selbst stemmen, anstatt die Steuerzahler zu belasten wie beim Atom- oder Kohleausstieg – auch wenn mit Blick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit in einigen Sektoren, wie z.B. in der Stahlindustrie, staatliche Subventionen unumgänglich sein werden. Nur eine Planungssicherheit mittels akzeptierter Regularien, verbunden mit einer zwischen Staat und den Wirtschaftsverbänden gut kommunizierten und verhandelten Zukunftsstrategie, versetzt die Unternehmen in die Lage, ihren Beitrag gegen die Klimakrise zu leisten. Dabei ist die Mehrheit längst bereit und motiviert, diesen „grünen“ Weg zu gehen. Viele Firmen preschen schon vor: Apple, Bechtle, Bosch, Grundig, Microsoft, Miele, Systeam – auch die ITK-Distribution und der Handel entfalten hier schon hervorragende Aktivitäten in Richtung Klimaneutralität, denn kaum ein Unternehmen kann es sich in Zukunft noch leisten, seine eigene Strategie gegen die Klimakrise im Rahmen seiner Möglichkeiten nicht öffentlich aufzuzeigen. Zunehmend wollen die Unternehmen auch von den mit ihnen vernetzten Geschäftspartnern wissen, wie es denn mit der Nachhaltigkeit und Klimaneutralität in dem jeweiligen Unternehmen bestellt ist. Und das eine oder andere Unternehmen möchte Umwelt-Zertifizierungen sehen, bevor eine geschäftliche Anbahnung möglich ist. Auf den Punkt gebracht: Bestimmten in der Vergangenheit neben dem Marken-Image maßgeblich das Verhältnis von Preis und Nutzungsleistung den Erfolg eines Produktes am Markt, so werden es in Zukunft in erster Linie Klima- und Umweltkriterien sein: Je klima- und umweltschonender die Produkte und Lösungen, desto wettbewerbsfähiger gegenüber der Konkurrenz und der daraus folgende Vermarktungserfolg.
Jedoch: Wir dürfen den Wandel unseres Wirtschaftens und Handelns hin zu einer klima- und umweltgerechten Art und Weise nicht als Großunternehmens-getriebene Entwicklung denken (Motto: „Die machen das schon“), sondern als gesellschaftspolitische, zukünftig mehr und mehr auch Behörden-regulierte neue Handlungsstruktur mit Vorgaben, die sich holistisch bis in alle Lebens- und Unternehmensbereiche hinein auswirken werden (Stichwort „New Green Deal“ der EU). Sprich: Die Klimaneutralität kann nur erreicht werden, wenn auch alle KMUs sie in ihren Unternehmen und auch die Privathaushalte sie konsequent umsetzen.
So verlangt im Mai 2021 der ZVEI auf seinem Jahreskongress von der Politik einen „klaren Fahrplan für Klimaziele“. Lobenswert ebenfalls die Aktivitäten und Initiativen der gfu (Trägerin der weltgrößten Consumer-Electronic-Messe IFA Berlin), deren Geschäftsführerin Dr. Sara Warneke in einer Pressekampagne im März 2020 der Branche das neue Energielabel der Europäischen Kommission nicht nur bekannt machte, sondern es verständlich erläuterte - und es somit unterstützte, einer breiten Zustimmung im Handel zuzuführen. Hieran merkt man: Achtung, wir haben verstanden. Wir werden die Klimaziele unterstützen (das war in der Vergangenheit bei den Branchenverbänden nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit, gerade Politik und öffentliche Einrichtungen hinkten oft hinterher).
Einzelne Branchen vernetzen
Fazit: Beim Klimawandel müssen wir technologisch und geografisch über unseren Tellerrand schauen. Das trifft ganz besonders auf die Tech-Branchen zu, da im Zuge eines beschleunigten Digitalisierungsprozesses an dieser Stelle die größten Erwartungen gestellt und der größte Beitrag zur Abwendung der Klimakatastrophe erwartet wird. ITK muss sich noch viel tiefer als bisher mit allen Branchen und Behörden vernetzen. Wir müssen mehr als je zuvor über unseren Tellerrand schauen.