Für seine digitale Kundenkommunikation in Zeiten der Pandemie haben wir Dirk Wittmer und sein Team von Euronics XXL Johann+Wittmer zum „Händler des Jahres 2020“ gekürt. Bei der Übergabe der Auszeichnung Anfang Januar in Ratingen nutzte CE-Markt die Gelegenheit zum intensiven Gedankenaustausch.
Herr Wittmer, die Corona-Pandemie hält uns auch 2021 weiter im Griff. Wie sind Sie mit Ihrem Fachgeschäft bisher durch die Krise gekommen?
Sehr ambivalent. Zum ersten Lockdown im April 2020 hatten wir erst einmal den Worst Case geplant: Was passiert, wenn wir monatelang den Laden nicht betreiben können? Müssen wir ein Darlehen aufnehmen um keine Mitarbeiter zu entlassen? Doch dann mussten wir komplett umdenken, denn plötzlich haben sehr viele Kunden bei uns gekauft, gerade wegen der Corona-Krise. Das hat einen hohen Grad an Offenheit für Veränderungen bewirkt. Vor allen Dingen – auch eines der einschneidenden Erlebnisse – mussten wir schnell lernen, wie man digital in Kontakt mit dem Kunden bleibt. Es war ja nicht so, dass wir uns nach digitaler Kommunikation gesehnt haben. Dies entstand durch die Beobachtung, wie Kunden sich online über Produkte informiert haben, die sie brauchen, um sich zu Hause behaglich einzurichten.
Ihre digitale Kundenkommunikation ist auch der Grund, warum CE-Markt und CE-Markt electro Sie zum „Händler des Jahres 2020“ ausgezeichnet hat. Was ist Ihnen wichtig bei der Kundenansprache?
Wichtig sind verschiedene Stufen. Es gibt den Kunden, der konkret etwas sucht, und den muss ich anders ansprechen als den Kunden, der sich vorinformiert und überlegt, welcher Quellen er sich bedient. Bei uns ist die Idee ganz banal aus einer WhatsApp-Gruppe unter unseren Mitarbeitern entstanden. Wir haben gesehen, dass Werbung dort unter ganz anderen Voraussetzungen stattfindet, weil die Beziehung im privaten oder beruflichen Umfeld eine Rolle spielt. Im Gegensatz zu einer Werbung als Printbeilage darf man im Social-Media-Bereich ein Produkt nicht platt bewerben, sondern muss die Werbung humorvoll gestalten. Man muss eine Geschichte erzählen, mit wenigen Worten als Bild oder als Film. Man muss sich also Gedanken machen über Kreativität und selber Inhalte entwickeln, damit die Kommunikation überhaupt beachtet wird. Das war für uns ein Crashkurs in Sachen Marketing. Positiv dabei: Wir haben Mitarbeiter gefunden, die Freude daran haben, sich eine witzige Geschichte einfallen zu lassen. Aus dem aktuellen Geschehen in der Gesellschaft oder Tagespolitik suchen sie ein Motiv mit einem originellen Spruch und fügen das passende Produkt mit ein, zwei wichtigen Features dazu. Wenn es tagaktuell werden soll, ist es fast wie Sport, den man trainieren muss. Denn es soll ja täglich etwas Neues passieren.
Welche Kanäle nutzen Sie?WhatsApp, Facebook, Instagram und unsere Homepage. Die Ratingen App, die sehr spezifisch zu unserer Stadt informiert, bietet auch viele Möglichkeiten. Außerdem nutzen wir die Handys einiger Mitarbeiter für eine Marketing- und eine Info-Gruppe, wo sie unsere Kundenansprache in ihrem privaten Umfeld verbreiten.
Welche weiteren Veränderungen hat die Pandemie für Ihr Geschäft gebracht?
Starke Zuwächse im Online-Geschäft. Hier unterscheiden wir zwischen Click & Collect und dem reinen Online-Verkauf. Bei Click & Collect kommen die Kunden zum Teil bereits eine halbe Stunde später, nachdem sie etwas bestellt haben, und möchten es abholen. Für diese Kundengruppe ist es wichtig, dass die Ware schnell verfügbar ist. Bei diesem Vorgang begegnet mir der Kunde: Ich kann ihn fragen, ob alles richtig ist und ob er noch Zubehör braucht. Das ist eine ganz andere Möglichkeit, als wenn der Kunde online etwas bestellt und wir es direkt an ihn verschicken. Mit dem Kunden treten wir dann nicht weiter in Kontakt. Bei Click & Collect haben wir andere Spannen als beim reinen Versandhandel.
Es war ja immer die Herangehensweise der Kooperationen, mit Click & Collect den Kunden zum stationären Markt zu führen.
Die stationäre Zielführung schaffen wir derzeit im Lockdown nur bedingt, indem wir den Kunden per Telefon oder WhatsApp beraten und versuchen, ihm Zubehör oder weitere Produkte dazu zu verkaufen. In den verschiedenen Corona-Phasen gab es auch Zeiten, wo wir in unterschiedlicher Anzahl Kunden auf die Fläche lassen durften. Hierfür war dann die digitale Kommunikation wichtig. Aber auch das Kaufverhalten hat sich verändert. Während wir früher zwischen 17 und 19 Uhr die höchste Frequenz hatten, hat sich das in der Corona-Phase auf den Vormittag verschoben. Wir sind jetzt ab 8 Uhr morgens für unsere Kunden erreichbar. Gegen Nachmittag und Abend wird es wesentlich ruhiger. Kunden, die abends anrufen, lassen sich jedoch zum Teil wertiger und länger beraten. Um auch in den Abendstunden erreichbar zu sein, haben wir die Ladenöffnungszeiten bis 20 Uhr belassen.
Wie ist Euronics online mit dem CCR-Konzept aufgestellt?
Es ist schon phänomenal, wie wir es geschafft haben, mit den Möglichkeiten einer Kooperation einen Marktplatz zu programmieren. Aber das hat Vor- und Nachteile, denn was unter euronics.de annonciert wird, erwartet der Kunde auch in jedem einzelnen Euronics-Geschäft. Dem Kunden ist es dann schwer zu vermitteln, warum es unterschiedliche Preise gibt. Stationär wie online lässt sich bei einem Marktplatz kein national einheitlicher Preis über alle Produkte abbilden, da es regionale und individuelle Unterschiede gibt. Auch die Sortimente und Serviceleistungen sind nicht bei allen Euronics-Händlern gleich. Mit dem digitalen Werkzeugkasten bietet die Kooperation jedoch einen hervorragenden Rahmen, wie sich der einzelne Händler in der Kommunikation mit seinem gesamten Leistungspaket darstellen kann. Diesen Marketing-Baukasten gilt es zu nutzen, da muss ein Urknall bei jedem Händler passieren! Der Händler muss eigene Kapazitäten aufbauen, wie er digitalen Content und individuelle Informationen über seinen Laden am besten kommuniziert. Welche Produkte führe ich? Welche Services biete ich an? Wann bin ich erreichbar? Wie kann der Kunde bei mir beraten werden? Wir können mit Zahlen belegen, dass diejenigen Kooperationsmitglieder, die aktiv am Cross-Channel-Retail-Konzept der Euronics teilnehmen, sich besser entwickeln als welche, die es nicht tun.
Gibt es eine Anbindung von Tablets und Smartphones ans CCR?
Ja, einige Euronics-Händler nutzen dies bereits. Dieses Tool ist sinnvoll, weil es im Verkaufsgespräch dramaturgisch wichtig ist, nicht zum Rechner zu gehen, um einen Preis zu checken. Es ist viel besser in der Situation des Beratungsgesprächs zu bleiben und den Kunden bis zum Bezahlvorgang, bis zum digitalen Checkout zu begleiten. Dem Verkaufen mit mobilen Geräten gehört die Zukunft.
[su_quote cite="Dirk Wittmer, Händler des Jahres 2020"]„Den Kunden einen Kommunikationsweg wählen lassen, über den er mit dem Händler in Kontakt treten will.“[/su_quote]
Was wird nach Corona bleiben?
Die digitale Kommunikation glaube ich wird ein Kernaspekt bleiben, um Kunden für das Ladengeschäft zu aktivieren. Und auch zu lernen, dass es nicht nur darum geht, ein Produkt zu bewerben und wieviel man davon verkauft, sondern dass der Kunde den Händler für eine bestimmte Warengruppe wahrnimmt und dann in Betracht zieht, bei ihm zu kaufen. Natürlich gibt es den Smart Shopper, der sich den billigsten Händler in Europa für ein Produkt sucht. Aber es gibt auch – und das ist ja eine starke Bewegung während Corona – die Kunden, die gerne lokal kaufen, wenn der Händler marktgerecht und zeitgemäß Ware anbietet. Dazu gehört eben auch, den Kunden einen Kommunikationsweg wählen zu lassen, über den er mit dem Händler in Kontakt treten will.
Wie sollte sich ein Fachhändler in seinem Umfeld vor Ort am besten aufstellen?
Wir verstehen uns als lokaler, großflächiger Einzelhändler und versuchen, den Vereinen, Menschen und Institutionen näher zu sein als jeder andere Händler am Ort. Darauf ist auch unser Marketing ausgelegt. Wir sponsern lokale Vereine, unterstützen Feste und Veranstaltungen wie den City Lauf, aber auch Abi-Partys. In unseren Werbebeilagen und in der digitalen Kommunikation veröffentlichen wir teilweise Inhalte von Vereinen und Unternehmen, mit denen wir eine Kooperation haben, wie beispielsweise den Stadtwerken und der Sparkasse. Am „Spartag“ geben wir Gutscheine aus, wenn einer ein Konto dort eröffnet. In den städtischen Schwimmbädern liegen unsere Beilagen aus. In Kooperation mit den Stadtwerken haben wir vor unserem Ladengeschäft Elektrotankstellen aufgestellt, die mit Ökostrom betrieben werden. Das ist auch ein Image-Gewinn für uns. Wichtig ist, die Kooperationen vor Ort aktiv und authentisch zu leben. Dann bleibt man als lokaler Händler auch für die Kunden erlebbar.
Mit welchen branchenfremden Dienstleistern kooperieren Sie in Ratingen?
Im Handwerker-Team bieten wir die komplette Leistung an, falls Kunden nicht mit vielen Handwerkern zu tun haben wollen. Das sind Elektriker, Schreiner, Dachdecker, Installateure. Zum Teil empfehlen wir uns gegenseitig und nehmen die Aufträge gegenseitig an. Dadurch erhalten wir auch Zutritt in andere Haushalte, zu denen wir sonst keinen Bezug haben.
[su_quote cite="Dirk Wittmer, Vorsitzender des Aufsichtsrats der Euronics Deutschland eG"]„Der Kunde muss im Laden über alle fünf Sinne angesprochen werden.“[/su_quote]
Für ein stationäres Einkaufserlebnis wird der „Point of Emotion“ immer wichtiger. Was raten Sie Händlern diesbezüglich bei der Einrichtung des Ladengeschäfts?
Der Kunde muss im Laden über alle fünf Sinne angesprochen werden. Das Internet spricht zwei Sinne an: Ich kann sehen und hören. Ich kann aber nicht riechen, nicht schmecken, nichts anfassen. Diese fünf Sinne muss ein Händler – egal wie groß der Laden ist – für alle Warengruppen erlebbar machen, damit der Kunde in seinem privaten Umfeld erzählt, warum dort zu kaufen und sich beraten zu lassen ein Erlebnis war. Ein Händler muss dafür genügend elektrische Anschlüsse verlegen, damit die Geräte vorführbereit und in Funktion gezeigt werden können. Auch der Aufenthalt des Kunden im Laden muss ein Erlebnis sein. Wie wird er willkommen geheißen, wie ist die Ansprache der Mitarbeiter? Die Identifikation lässt sich auch in der digitalen Welt herstellen, so dass sich der Kunde mit einem Ladengeschäft verbunden fühlt und immer gerne wiederkommt. Ein Händler sollte sich daher einfach mal Zeit nehmen und reflektieren: Wie wirkt mein Laden auf den Kunden? Dazu gehören auch die Rezensionen und Bewertungen.
Was empfehlen Sie Händlerkollegen für dieses Jahr?2021 ist das Jahr des Chamäleons, denn die Situation wird sich für den Handel mehrfach ändern. Ein Chamäleon kann sich seiner Umwelt anpassen, um zu überleben. Diese Eigenschaft muss ein Händler für sich adaptieren. Die Lage bleibt weiterhin völlig unvorhersehbar und kann jederzeit zwischen Verzweiflung und Zuversicht wechseln. Im ersten Lockdown hatten wir uns auf das Schlimmste vorbereitet und dann kam es viel besser als gedacht. Im zweiten Lockdown haben alle gedacht, es wird so werden wie beim ersten Mal, doch dann sind die Umsätze eingebrochen und das Kundeninteresse hat deutlich nachgelassen. Derzeit hat man fast den Eindruck, dass es nur noch Ergänzungskäufe gibt und die Leute erst einmal genug haben. Das kann sich aber wieder ändern. Ich glaube, dass man für sein Unternehmen mindestens bis Mitte des Jahres in mehreren Szenarien denken muss. Denn man muss betriebswirtschaftliche Entscheidungen treffen, was die Mitarbeiter und Kosten angeht. Auch bei den Anträgen unterliegt man plötzlich Bedingungen, die einen in der Handlung für die nächsten Jahre einschränken können. Wichtig ist, sich die Flexibilität zu erhalten, ob das nun die Bonität, Liquidität oder das Auftreten gegenüber Kunden ist.
Auf welche Warengruppen setzen Sie?
Da manche Warengruppen in diesem Jahr rückläufig werden, rücken neue Warengruppen in den Fokus: Luftreinigung und Air Treatment, Speisezubereitung, Wellness & Gesundheit. Wir installieren auch Wallboxen und nutzen das als Türöffner für neue Kundengruppen. Diese neuen Angebote gilt es natürlich auch digital zu kommunizieren. Ein Händler muss aber auch tatsächliche Mehrwerte anbieten, sei es über den Kundendienst und eigene Auslieferteams oder über After Sales Services und Kundenschulung. In einer Zeit, in der Kunden bei ihrem Kaufverhalten immer wechselhafter werden, brauchen wir Anlässe, um in Kontakt mit den Kunden zu treten. Und der Anlass sollte nicht erst sein, wenn ein Gerät kaputtgeht.