Herr Tolkemitt, welches Thema treibt Unternehmen momentan mehr Sorgenfalten als sonst auf die Stirn?
Till Tolkemitt: Meine Kollegen und ich beobachten, dass gerade Unternehmen mit Schwerpunkt B2B zurzeit einen erhöhten Beratungsbedarf haben.
Warum ist das so?
Till Tolkemitt: Nachdem der B2C-Bereich durch neue digitale Angebote und Spieler in den letzten zehn Jahren ordentlich durchgerüttelt wurde, ist die Schonfrist auf vielen B2B-Märkten jetzt endgültig vorbei. Besonders auch beim Thema E-Commerce und Vertrieb bekommen immer mehr auf B2B ausgerichtete Unternehmen neuen Wettbewerb, herkömmliche Vertriebswege und Geschäftsmodelle funktionieren immer weniger. Gleichzeitig entstehen natürlich auch neue Chancen.
Neue digitale Angebote könnten ja dann auch ein Weg aus dem Dilemma sein, oder?
Till Tolkemitt: Genau. Aber das bedeutet für die Unternehmen, dass sie sich aus gut planbaren Märkten in neue, viel schwieriger vorhersagbare Märkte begeben müssen. Sie müssen digitale Geschäftsmodelle entwickeln, handeln plötzlich wie ein Start-up. Neben dem digitalen Know-how, das dafür notwendig ist, haben die digitalen Initiativen Vorlaufzeiten – mit einem Return on Investment von drei bis fünf Jahren und natürlich ungewissem Ausgang. Manches scheitert naturgemäß, dann hat man eine Chance vertan und viel Geld verspielt, bei gleichzeitig rückgängigen Erträgen aus dem Kerngeschäft. Das ist eine echte Herausforderung.
Ist es nicht gerade für etablierte Unternehmen, jetzt auch im Vergleich zur Situation bei vielen Start-ups, ein ungeheurer Vorteil, wenn man über eine seit Jahrzehnten geschaffene Marke verfügt und weitere Angebote nur andocken muss?
Till Tolkemitt: In der Tat. Aber oft sehen wir trotzdem, dass bestehende Märkte von neuen, schnellen Start-ups erfolgreich angegriffen werden, die innerhalb von wenigen Jahren einen Unternehmenswert erreichen, der sich auf dem Niveau der eingesessenen und eigentlich viel größeren Spieler befindet. Manches Mal höre ich auch: „Das trauen uns unsere Kunden eh nicht zu, dass wir jetzt ein digitaler Spieler sind“. Aber es gibt genauso viele Beispiele, bei denen die Transformation gelingt.
[su_spoiler title="Fragen zum Interview-Partner Till Tolkemitt? So erreichen Sie Ihn!"]Till Tolkemitt ist Mitglied im Netzwerk von Consultport, der Vermittlungsplattform für Beraterinnen und Berater. Möchten auch Sie wissen, welche Berater zu Ihrem Geschäftsfeld oder Ihren aktuellen Fragen zu Ihrem Business passen? Consultport bietet Ihnen eine kostenlose und unverbindliche Erstberatung an. Kontaktdaten: Tel. 030-54909755 oder contact@consultport.com. [/su_spoiler]
Wie gehen Sie als Berater in der Regel eine solche Aufgabe an? Was folgt nach einer ersten Bestandsaufnahme?
Till Tolkemitt: Alles Neue muss nicht nur „vom Kunden aus gedacht“ sondern aktiv mit den Kunden entwickelt werden. Co-Evolution mit den Kunden ist der Weg, den man gehen muss, damit man nicht digitale Geschäftsmodelle aufbaut, die nachher nicht genutzt werden. Viele Unternehmen denken noch immer zu sehr von innen heraus oder „für den Kunden mit“. Dieser muss bei der Entwicklung von neuen Strategien aber aktiv mit einbezogen werden. Auf dieser Basis braucht es dann eine glasklar formulierte Strategie und den Mut, nach dieser zu handeln. Das beinhaltet in den meisten Fällen ein gehöriges Maß an Veränderung.
Was passiert eigentlich mit den erfahrenen Kräften in einem Unternehmen, wenn die Strategie eine neue, und der Auftritt am Markt plötzlich ein anderer ist?
Till Tolkemitt: Jede echte Veränderung ruft Widerstand hervor. Das ist ganz natürlich, so sind wir Menschen. Denn eines unserer Grundbedürfnisse ist Sicherheit. Und im Status Quo, in der Vergangenheit, da kennen wir uns aus, was uns Sicherheit gibt. Deswegen sind wir tendenziell erst einmal gegen Veränderung. Auf der anderen Seite sehen gerade die erfahrenen Mitarbeiter oftmals, dass eine richtige Veränderung und einen neue Strategie notwendig ist. Die Aufgabe einer guten Strategie ist also, die Notwendigkeit für Veränderung herauszustellen und dann einen klaren Weg nach vorne aufzuzeigen.
Gibt es Erfahrungen, die Sie in Beratungsprozessen immer wieder machen? Gerade auch in Projekten, in denen eine neue digitale Ausrichtung eine große Rolle spielt?
Till Tolkemitt: Ohne Einbindung der Kunden geht es nicht. Und ohne Einbindung der Menschen, die die Strategie nachher umsetzen sollen, auch nicht.
Wie sieht Ihre persönliche Bilanz aus, wenn Sie zurückblicken? Ab wann kann ein Berater sagen, dass die Arbeit mit dem Kunden erfolgreich war?
Till Tolkemitt: Die Verantwortung für die Umsetzung der Strategie liegt beim Management. Das bedeutet nicht, dass wir Berater die Umsetzung nicht begleiten würden, im Gegenteil. Ein erfolgreiches Strategie-Projekt ist aber nur eines, bei dem die Strategie erstens umgesetzt wird und zweitens -logisch - zu Erfolg führt. Das bedeutet, dass die Strategie und der entwickelte Umsetzungssplan erstens so gut sein muss, dass alle überzeugt von ihr sind, das Management, die Mitarbeiter und der Markt, d.h. die Kunden. Und das gelingt eben zweitens nur, wenn die Strategie mit allen diesen „Stakeholdern“ entwickelt wurde. Zusammengefasst kann man sagen: Erfolgreiche Projekte haben einen gewissen Umfang und erfordern den Einsatz von viel Energie von allen Seiten. Nur Projekte, die so angegangen werden, führen meiner Erfahrung nach zu nachhaltigem Erfolg am Markt.
Vielen Dank, Herr Tolkemitt, für das Gespräch!
consultport.com